Das Haus Sonnenwinkel auf dem Essenerberg hatte im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Funktionen: Hotel, Müttergenesungsheim, Familienferienstätte. Und jetzt ist es ein Spa? Auf den neu beklebten Schildern in der Meller Straße steht zumindest groß „SPA+“ – aber eben auch „Akademie Sonnenwinkel – BBS Bad Essen“. Lena Kerlfeld klärte am Mittwochabend auf: „Wir eröffnen kein Spa, sondern eine Berufsfachschule mit dem besonderen Schwerpunkt Sozialpädagogische Assistenz.“ Und diese Bezeichnung wird SPA abgekürzt.

Wofür das Plus steht, erklärten sie und Tim Ellmer auf dem ersten Infoabend über die Berufsfachschule, die im August mit dem Unterricht beginnen wird. „Sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten gibt es schon. Der Beruf ist nicht neu. Aber aktuell können sie nur im frühkindlichen Bereich arbeiten, also in Krippen, in Kindergärten und im Ganztag“, erzählten die Geschäftsführer der Verbund Sozialer Dienste gGmbH. Der VSD hat die Akademie Sonnenwinkel gGmbH als Tochterunternehmen gegründet.

Qualifizierung für die Kinder- und Jugendhilfe

An der Akademie Sonnenwinkel werden Sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten im optionalen Teil für die Arbeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe qualifiziert. Bisher war dies in Niedersachsen nämlich nicht möglich. „Wir müssen dem Fachkräftemangel entgegensteuern und haben deshalb diesen neuen Weg geschaffen“, so Ellmer. „Wir müssen dafür sorgen, dass genügend Fachkräfte in der Jugendhilfe arbeiten und das auch können.“

In Niedersachsen ist dieser Bildungsabschluss ein Modellvorhaben. „Ihr könnt nach dem Abschluss, also nach 18 Monaten, in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten – vorerst allerdings nur in Niedersachsen. Da der Abschluss grundständig und staatlich anerkannt ist, könnt ihr aber auch bundesweit in Krippen, Kindergärten und im Ganztag arbeiten.“ Dies sei eine gute Perspektive, denn ab 1. August 2026 haben Familien schließlich einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung.

Und auch wer sich hinterher gegen die Jugendhilfe und für eine Tätigkeit in der Krippe oder im Kindergarten entscheidet, habe nicht umsonst gelernt. „Auch dort werdet ihr auf Kinder mit Auffälligkeiten treffen. In der Vergangenheit war die Vermittlung von Wissen für den Umgang mit diesen Kindern nicht so relevant wie heute, weil sich in den vergangenen Jahren ihre Anzahl mit herausfordernden familiären Erfahrungen vervielfältigt hat. Ihr erkennt durch euren Abschluss andere Hintergründe und erlernt Methoden, die ihr überall einsetzen könnt“, betonte Ellmer. Bereits während der Zeit an der Akademie werden die Schülerinnen und Schüler vier Wochen in Krippen, Kindergärten oder im Ganztag verbringen.

Keine Vorkenntnisse notwendig

Voraussetzung für diesen Berufsabschluss ist ein Abitur oder irgendeine andere abgeschlossene Berufsausbildung – egal welche. Pädagogische Vorkenntnisse sind nicht notwendig. Die Schülerinnen und Schüler müssen zudem ihr Führungszeugnis vorlegen, da gewisse Straftaten Ausschlusskriterien für die Arbeit in der Jugendhilfe sind.

Ein entscheidender Vorteil dieses Modellvorhabens sei die Kombination aus Praxis und Unterricht. An drei Tagen pro Woche arbeiten die Schülerinnen und Schüler bei ihrem jeweiligen Praxispartner. Der Unterricht in der Akademie Sonnenwinkel findet an zwei Tagen statt. „Das was ihr in der Theorie lernt, könnt ihr direkt mit der Praxis vergleichen und abgleichen. Wir starten mit einer Klasse, so dass wir uns gut herantasten können. Für jeden Lernenden ist es eine große Chance, denn es ist eine sehr persönliche Betreuung möglich“, sagte Lena Kerlfeld. Zudem sei mit den anderen Schülerinnen und Schülern ein Erfahrungsaustausch gut möglich. Der Unterricht erfolge ohne Bücher, alle Lernenden erhalten ein Tablet. Viele Lehrkräfte bringen einen Praxisbezug mit.

Die Schülerinnen und Schüler müssen keine Schulgebühren zahlen, und sie bekommen ein Gehalt. „Die Vergütung verhandelt ihr individuell mit eurem Praxispartner. Der Landkreis Osnabrück als Jugendhilfeträger unterstützt unser Modellvorhaben. Die Arbeitgeber sollten also keine Probleme haben, eure Vergütung einzuhandeln. Wir unterstützen gerne, falls es Schwierigkeiten geben sollte“, versprach Ellmer. Die Akademie habe entsprechende Musterverträge vorbereitet. „Wir werden auch die Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter eurer Arbeitgeber eng begleiten und sie qualifizieren, damit ihr bestmöglich betreut werdet.“

Drei Tage Praxis, zwei Tage Schule

Drei Tage in der Praxis entsprechen 20 bis 24 Stunden Arbeitszeit pro Woche. „An welchen Tagen ihr vor Ort seid, stimmt ihr mit dem Arbeitgeber ab. Es ist durchaus sinnvoll, auch am Wochenende eingesetzt zu werden. Diese Dienste sind ganz anders, denn es gibt in der Regel keinen zeitlichen Druck wegen der Schule“, erzählte Lena Kerlfeld. Freude, Trauer, Wut, Glück: alles was Eltern mit Kindern erleben, werde auch in den Wohngruppen geboten.

Für die Schülerinnen und Schüler sei wichtig zu wissen, dass sie niemals alleine im Dienst sein werden: „Ihr seid unterstützend da, quasi zusätzliche Hände und Augen. Allein dadurch seid ihr ein absoluter Mehrwert im Gruppendienst.“ Es sei ratsam, verschiedene Schichten mitzuerleben, auch mal eine Nachtschicht zu begleiten. „Drei Jahre nach eurem Abschluss könnt ihr dann ohne Begleitung arbeiten. Während dieser drei Jahre muss der Träger eine Rufbereitschaft sicherstellen“, berichtete Ellmer.

„Jugendhilfe ist herausfordernd, aber auch sinnstiftend. Wir haben viele tolle Geschichten von Mädchen und Jungen erlebt, die ihren Platz in der Gesellschaft gefunden haben“, sagte Lena Kerlfeld. Mit der Dialog gGmbH zählt ein Träger von Wohngruppen zum VSD. Deshalb könne der VSD selbst Praxispartner für bis zu sechs Schülerinnen und Schüler werden. 

Zweiter Infoabend und Jobmatching

Um alle Praxispartner und interessierte Schülerinnen und Schüler zu vernetzen, findet am Dienstag, 1. Juli, ein „Jobmatching“ in der Akademie Sonnenwinkel statt (Meller Straße 3, 49152 Bad Essen). Zuvor, am 16. Juni, besteht an einem weiteren Infoabend die Möglichkeit, sich über das Modellvorhaben zu informieren. Hier geht es zur Anmeldung.

Wer da Wellness- und Gesundheitsangebote erwartet, wird aber enttäuscht werden.