Erste Klasse SPA+ gestartet
„Manche Menschen wünschen sich, dass etwas passiert. Andere wollen, dass etwas passiert. Und wieder andere sorgen dafür, dass es passiert.“ Tim Ellmer kennt diese Aussage von Basketball-Superstar Michael Jordan. Er war selber viele Jahre Basketballtrainer beim TuS Bad Essen. Und als Geschäftsführer eines Unternehmensverbundes in der Kinder- und Jugendhilfe hat er sich dieses Zitat offenbar zu Herzen genommen. „Der Fachkräftemangel war lange vorhersehbar. Wir können den Trend, Fachkräftestandards herabzusenken, nicht mitgehen“, betont er. „Nicht-Fachkräfte einzusetzen birgt ein hohes Risiko und würde der Qualität der Betreuung schaden.“ Und deshalb kamen er und Heinrich Mackensen als damalige Geschäftsführer des Verbunds Sozialer Dienste (VSD) vor knapp vier Jahren zu dem Schluss: „Im Ausbildungssystem muss sich etwas verändern.“
Am 14. August 2025 war der erste Schultag in der „Berufsfachschule Sozialpädagogische Assistenz Plus“ (SPA+) – viel Zeit ist seit den ersten Gesprächen mit dem Landtag und der Landesregierung vergangen. Die Schuleröffnung sei aber nicht das Ende des Prozesses, sondern erst der Start einer fortlaufenden Entwicklung. Aber warum hat es so lange bis zum ersten Schultag gedauert? Ellmer erklärt: „Zwei Ministerien waren relevant für die Anerkennung. Das Kultusministerium für den schulischen Teil, das Sozialministerium für die Anerkennung als Fachkraft. Die Curricula mussten so abgestimmt werden, dass sie beiden Ansprüchen entsprechen.“ Herausgekommen ist ein Modellvorhaben, das aber auch den Regelabschluss abdeckt.
Vorhaben drohte zu scheitern
Er verschweigt nicht, dass es Momente gab, in denen das Vorhaben zu scheitern drohte – auch weil nicht jede und jeder die Notwendigkeit sah. „Die Politik hat den Fachkräftemangel in Kindertagesstätten präsent, denn das Problem betrifft viele Eltern, die ihren Unmut äußern. Den Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe haben nicht so viele Politikerinnen und Politiker präsent, weil vergleichsweise wenige Menschen Berührungspunkte mit diesem Bereich haben“, sagt Lena Kerlfeld. Sie bildet seit Januar 2024 mit Tim Ellmer die Geschäftsführung des VSD. Heinrich Mackensen ist inzwischen im Ruhestand.
Ursprünglich sei der Plan gewesen, dass eine bestehende Berufsbildende Schule (BBS) die Ausbildung übernimmt. Doch als sich diese Lösung nicht abzeichnete, gründete der VSD die Akademie Sonnenwinkel. Lernort ist die ehemalige Familienferienstätte Haus Sonnenwinkel auf dem Essenerberg in Bad Essen. Die Idee: Sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten so qualifizieren, dass sie assistierende Aufgaben in der (teil-)stationären Kinder- und Jugendhilfe übernehmen können und einen fachlichen Standard erfüllen. Bisher werden SPAs nämlich nur für den Bereich der frühkindlichen Bildung ausgebildet.
Grundständiger Abschluss
Mit dem grundständigen Abschluss SPA+ können die Schülerinnen und Schüler künftig bundesweit in Krippen, Kindergärten und im Ganztag an Schulen arbeiten. Die Anerkennung als Fachkraft in der (teil-)stationären Jugendhilfe gilt aber zunächst nur in Niedersachsen. „Wenn sie Interesse daran haben, sich nach dem Abschluss weiterzuentwickeln, müssen sie die Gelegenheit dazu haben. Sie können sich weiterqualifizieren zur Erzieherin beziehungsweise zum Erzieher, aber auch sofort in die Arbeit gehen“, so Ellmer. Diese Weiterqualifizierung soll künftig auch an der Akademie Sonnenwinkel möglich sein.
Die nächsten mittelfristigen Schritte seien auch in Planung. Die Anerkennung des Abschlusses in Nordrhein-Westfalen ist ebenso ein Thema wie eine Anpassungsqualifikation für ausländische Fachkräfte.
Der Bildungsgang sieht eine dualisierte Ausbildung vor, die auch vergütet wird. Die Schülerinnen und Schüler besuchen an zwei Tagen in der Woche die Schule, an drei Tagen kommen sie bei einem Praxispartner zum Einsatz. „Sie sollten mindestens 18 Jahre alt sein. Die Praxispartner müssen verantwortungsvoll schauen, wen sie in welcher Einrichtung einsetzen können. Sie wissen aber auch um ihre Verantwortung“, sagt Lena Kerlfeld.
Abitur oder abgeschlossene Ausbildung
Während der 18 Monaten lernen die Schülerinnen und Schüler auch die Bereiche Krippe, Kindergarten oder Ganztag kennen, falls sie nach dem Abschluss doch nicht in der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten möchten: „Der Vorteil ist, dass die Träger die Schülerin beziehungsweise den Schüler direkt in ihre Einrichtung binden und das Wissen für den Alltag dort direkt vermitteln können. Wir empfehlen ein Gehalt angelehnt an Paragraph 30 des NKiTaG plus die Heimzulage.“ Jeder Praxispartner müsse schauen, wie diese Kosten refinanziert werden können. Dies sei möglich durch die Leistungs- und Entgeltvereinbarungen mit dem zuständigen Jugendamt. „Das Jugendamt Osnabrück erkennt die Kosten für SPA+ als angemessen und nachvollziehbar an“, berichtet Ellmer.
Voraussetzung, um den SPA+-Weg einzuschlagen, sind das (Fach-)Abitur oder eine abgeschlossene dreijährige Ausbildung – egal welche. „In der Klasse haben wir zum Beispiel einen Fliesenleger und eine Bäckereifachverkäuferin“, erzählt Schulleiter Reinhard Meyer. Lena Kerlfeld ist zuversichtlich, dass die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger dauerhaft in der Kinder- und Jugendhilfe bleiben werden: „Wer sich Anfang 40 für den sozialen Weg entscheidet, hat eine andere Herangehensweise. Es sind Menschen, die sich bewusst für eine sinnstiftende Arbeit entscheiden.“
Manche Praxispartner haben Beschäftigte, die zum Beispiel Fahrdienste übernehmen oder eine Hausaufgabenbetreuung anbieten. Diese Nicht-Fachkräfte können jetzt nachqualifiziert werden. „Manche würden gerne mehr Aufgaben übernehmen, haben aber keinen pädagogischen Background. Für sie ist dieser Bildungsweg total gut geeignet“, ist die Geschäftsführerin überzeugt.
Nächste Klasse ab 1. Februar 2026
Aktuell ist es eine kleine Klasse mit 8 Schülerinnen und Schülern. Sechs Frauen und Männer sind noch auf der Suche nach einem Praxispartner. Nachmeldungen sind zu diesem Zeitpunkt noch möglich. Ansonsten ist der 1. Februar 2026 der nächste Zeitpunkt, um die Ausbildung zu beginnen. „Wir sind mit dieser Resonanz, aufgrund der kurzen Vorlaufzeit, sehr zufrieden“, sagt Tim Ellmer. Schulleiter Reinhard Meyer sieht ebenfalls Vorteile in der kleinen Klassengröße: „Für die Lehrer ist es ein schöner Start, da die Betreuungsqualität so gut ist. Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich gesehen und können ihre Anliegen besprechen.“ Am ersten Schultag habe er in lauter strahlende Gesichter geblickt, die 13 Tage vorher hatten sie schon in der Praxis verbracht.
In den kommenden 18 Monaten werden die Schülerinnen und Schüler jede Facette des Alltags kennenlernen. Dazu gehören auch Dienste an Feiertagen und am Wochenende. Auch Nachdienste – allerdings nicht alleine – werden Bestandteil sein. „Sie müssen alles erleben, um den Mehrwert der Arbeit zu erkennen. Das kann man nicht erzählen, da all diese Dienste ganz anders ablaufen“, weiß Lena Kerlfeld.
Der VSD hätte diesen Weg aber nicht alleine gehen können. „Wir sind dem Landkreis Osnabrück sehr dankbar für die Zusammenarbeit. Alle standen dem Vorhaben offen gegenüber, das Jugendamt hat sich mit Fachinput beteiligt“, sagt Ellmer. Ein weiterer starker Partner sei der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen. „Dadurch haben wir eine gute Basis für Akzeptanz. Der Pari war bei vielen Gesprächen dabei und hat uns gut mit fachlichem Input begleitet.“ Frei nach einem anderen Jordan-Zitat: „Ich kann nicht die ganze Arbeit alleine machen. Man braucht ein gutes Team, um Großes zu erreichen.“
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