Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft hat in dieser Woche für Aufsehen gesorgt. Demnach könnten im Jahr 2028 voraussichtlich 768.000 Stellen nicht mit ausreichend qualifizierten Fachkräften besetzt werden. Bereits 2024 fehlten bundesweit 487.000 Erzieher, Sozialarbeiter, Pfleger, Verkäufer und Fachleute anderer Berufe. Allein im Bereich Sozialarbeit und -pädagogik wird den Schätzungen zufolge ein Fehl von 21.150 Fachkräften bis 2028 erwartet.

Dem Verbund Sozialer Dienste (VSD) ist diese Entwicklung bekannt. Der Kinder- und Jugendhilfeträger mit Sitz in Bad Essen reagiert darauf mit dem Modellvorhaben „Sozialpädagogische Assistenz Plus“ (SPA+). Auf einem vierten Info-Abend haben Geschäftsführer Tim Ellmer und Martyna Schubert (Marketing) das Konzept erneut vorgestellt. „Der Fachkräftemangel ist real und akut. Wir setzen da mit SPA+ an und möchten eine Lösung im Bildungssystem sein“, so Ellmer.

Sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten gibt es bereits. Der Beruf ist also nicht neu. Aber aktuell können sie nur im frühkindlichen Bereich arbeiten, also in Krippen, in Kindergärten und im Ganztag. An der Akademie Sonnenwinkel in Bad Essen werden Sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten im optionalen Teil für die Arbeit speziell im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe qualifiziert. Bisher war dies in Niedersachsen nämlich nicht möglich. 18 Monate dauert es bis zum grundständigen, staatlich anerkannten Abschluss, der zugleich bundesweit zur Arbeit in Krippen, Kindergärten und im Ganztag berechtigt.

Ein entscheidender Vorteil dieses Modellvorhabens sei die Kombination aus Praxis und Unterricht. An drei Tagen pro Woche arbeiten die Schülerinnen und Schüler bei ihrem jeweiligen Praxispartner. Der Einsatzort müsse in Niedersachsen liegen. Der Unterricht in der Akademie Sonnenwinkel findet an zwei Tagen statt. „Der Vorteil ist, dass du von Beginn an im Alltag drin bist. Du hast trotzdem Raum wachsen zu dürfen und um festzustellen, ob es das Richtige für dich ist“, sagte Martyna Schubert. Während der 18 Monate gelten die Schülerinnen und Schüler als Nichtfachkraft, es muss also auch immer eine ausgebildete Fachkraft vor Ort im Dienst sein. „Du bist vorher quasi zusätzlich im Team und hast dadurch Freiheiten zu lernen. Nach dem erfolgreichen Abschluss bist auch du eine anerkannte Fachkraft.“ Tim Ellmer sagte, dass Sozialministerium und Bildungsministerium dies schriftlich bestätigt haben.

Martyna Schubert warb dafür, dass dieser Abschluss auch vor einem Studium gemacht werden könne. „Der Zeitraum ist nur unwesentlich länger als ein Freiwilliges Soziales Jahr. Aber du hast dann schon eine Ausbildung abgeschlossen und Erfahrungen in der Praxis gesammelt.“ Auch Lehramtsstudierende könnten von diesen Erfahrungen profitieren, da immer mehr Kinder mit Auffälligkeiten in die Schule kommen.

Voraussetzung für einen Schulplatz sind das Abitur oder eine beliebige, abgeschlossene Berufsausbildung. Deshalb zählen auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger zur Zielgruppe. Beim Einsatzort müsse man schauen, wo sich die Schülerin beziehungsweise der Schüler wohlfühlt. Jemanden direkt nach dem Abitur in einer Wohngruppe mit anderen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen arbeiten zu lassen, sei nicht ratsam. Aber viele Träger hätten auch Wohngruppen mit einem Aufnahmealter ab 3 oder 6 Jahren. „Der Job ist in der Praxis auch fordernd, es gilt verschiedene Herausforderungen zu bewältigen und die Tätigkeiten zu reflektieren“, sagte Ellmer.

An diesem Abend war auch Schulleiter Reinhard Meyer erstmals anwesend. Er erzählte, dass die Erfahrungen in den Einsatzstellen auch im Unterricht mit den anderen Schülerinnen und Schülern besprochen und verarbeitet werden. Aufgrund der kurzfristigen Vorbereitungszeit werde die Klassengröße von maximal 25 Schülerinnen und Schülern jetzt nicht erreicht. „Aber das ist gut, denn so könnt ihr eng betreut und begleitet werden“, so Ellmer. Eine Schulgebühr fällt übrigens nicht an.

Formal ist der Beginn am 1. August. Die Ferien enden jedoch erst am 13. August, so dass der 14. August der erste Schultag ist. Im ersten Jahr wird der Unterricht donnerstags und freitags an der Akademie Sonnenwinkel stattfinden. „Wir starten am 1. August mit einer Begrüßungsveranstaltung. Es folgen zwei Wochen in der Einrichtung des jeweiligen Praxispartners, um das Team kennenlernen zu können“, blickte der Geschäftsführer voraus.

Der VSD selber könne sechs Praxisplätze vergeben. Mit dem Haus Neuer Kamp aus Osnabrück war ein weiterer Praxispartner vor Ort, um Kontakt zu interessierten Schülerinnen und Schülern aufzunehmen. Auch andere Träger zeigen Interesse an dem Modellvorhaben.

Die Vergütung für den Praxisteil wird mit dem Träger vereinbart. Die Träger können das Gehalt in die jährlichen Verhandlungen mit dem örtlichen Jugendamt einfließen lassen. „Das Konzept und die Idee werden vom Landkreis Osnabrück unterstützt“, sagte Ellmer.